Es ist ein beliebtes Kinderspiel: ohne zu schauen in einen Beutel greifen und erfühlen, was wohl darin sein könnte. Doch was für die meisten ein Spiel ist, ist für Menschen mit starken Sehbeeinträchtigungen Alltag. Sie sind auf die Fähigkeit, Dinge erfühlen zu können, angewiesen. Hier kommt das 2-Sinne-Prinzip ins Spiel. Informationen sollen mindestens über zwei Sinne zugänglich sein – etwa visuell und hörbar oder hörbar und fühlbar. Genau hier setzt die Brailleschrift, auch Blindenschrift oder Punktschrift genannt, an. Sie macht geschriebene Inhalte „fühlbar“ und ist damit ein unverzichtbarer Baustein für Barrierefreiheit, sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt.
Die Entstehung der Brailleschrift – Wer, wann, warum?
Die Geschichte der Brailleschrift beginnt mit einem Schicksalsschlag. Louis Braille, geboren 1809 in Frankreich, verlor im Alter von drei Jahren durch einen Unfall sein Augenlicht. Als Jugendlicher entwickelte er im Jahr 1825 ein System, das die Welt der Blinden revolutionieren sollte: eine Schrift, die man fühlen konnte. Inspiriert wurde er von der sogenannten Nachtschrift, einem militärischen Kommunikationssystem für das Lesen bei Dunkelheit. Mit nur sechs Punkten pro Braillezeichen schuf Braille ein flexibles und leicht erlernbares Alphabet, das bis heute weltweit genutzt wird.
Wie funktioniert Braille? Ein Einblick in die analoge Welt
Das Braille-Alphabet basiert auf einem Raster aus sechs Punkten, die in zwei Spalten und drei Reihen angeordnet sind. Je nachdem, welches Zeichen dargestellt werden soll, sind einige dieser Punkte erhaben und damit fühlbar. Durch unterschiedliche Kombinationen dieser Punkte entstehen Buchstaben, Ziffern und Satzzeichen.
Hier eine Übersicht der Buchstaben A bis Z:
Der Buchstabe A entspricht beispielsweise einem einzigen Punkt oben links. Zwischen einzelnen Buchstaben ist eine kleine Lücke, damit man die 6er-Gruppen besser erkennen kann.
Da man mit nur 6 Punkten nur 64 Zeichen darstellen kann und damit deutlich weniger als benötigt, werden diese aber auch doppelt belegt. Zahlen beispielsweise werden durch ein spezielles Zeichen markiert, danach kommt der entsprechende Buchstabe im Alphabet (z. B. A = 1). Groß- und Kleinbuchstaben werden nicht unterschieden.
Das klassische 6-Punkt-Braille findet man inzwischen auf Medikamentenpackungen, Fahrstuhl-Knöpfen und vielem mehr. Auch ganze Bücher wurden bereits gedruckt, damit Menschen mit den Fingern lesen können.
Ist die Brailleschrift international?
Die Brailleschrift hat sich weltweit an die unterschiedlichen Sprachen und Schriftsysteme angepasst. Es gibt also viele verschiedene Braille-Alphabete. Während das grundlegende Prinzip mit sechs Punkten in einem Raster bleibt, unterscheiden sich die tatsächlichen Zeichen je nach Sprache. In englischsprachigen Ländern, wie den USA oder Großbritannien, existiert zum Beispiel das Unified English Braille (UEB), das eine Vereinheitlichung der Brailleschrift anstrebt und auch Zeichen für Großbuchstaben enthält. In Ländern ohne lateinische Buchstaben, wie im arabischen oder hebräischen Raum, wird Braille so angepasst, dass es die jweiligen Schriftzeichen und die Schreibrichtung berücksichtigt.
Hier ein paar Beispiele für die Unterschiede in der Brailleschrift einzelner Länder:
- Französisches Braille: Zusätzliche Zeichen für Akzentzeichen wie é, è oder ç
- Arabisches Braille: Anpassung an die von rechts nach links geschriebene arabische Schrift
- Hebräisches Braille: Anpassung an das hebräische Alphabet, ebenfalls von rechts nach links
- Deutsches Braille: Zeichen für die Umlaute ä, ö, ü und das ß
- Japanisches Braille: Braille-System, das an die Japanischen Schriftzeichen angepasst ist
Braille in der digitalen Barrierefreiheit
Natürlich werden aber nicht nur Visitenkarten und Bücher mit Braille-Schrift produziert. Auch Texte auf Websites oder Chatnachrichten können inzwischen live in Braille-Schrift übersetzt werden. Schauen wir uns einmal an, wie das funktioniert und wo die Unterschiede zu Büchern liegen.
Braille-Zeilen, Braille-Displays und Braille-Tastaturen – Was ist der Unterschied?
Wenn es um Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen geht, spielen Braille-Geräte eine große Rolle, werden aber oft miteinander verwechselt. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Braille-Zeile, einem Braille-Display und einer Braille-Tastatur? Hier kommt eine einfache Erklärung!
Braille-Zeile und Braille-Display – Fühlen statt Sehen
Eine Braille-Zeile oder auch Braille-Display genannt ist ein Gerät, das Text in Brailleschrift ausgibt. Kleine Stifte heben und senken sich, um Buchstaben fühlbar zu machen. So können blinde Menschen Texte am Computer oder Handy lesen. Die meisten Braille-Zeilen haben zwischen 20 und 80 Zeichen. Sie sind mit dem Computer verbunden und helfen dabei, digitale Texte in Echtzeit zu erfassen. Viele moderne Geräte haben Bluetooth, sodass sie kabellos verbunden werden können. Sie sind ideal für unterwegs oder zum Arbeiten.
Braille-Tastatur – Schreiben in Braille
Mit einer Braille-Tastatur kann man direkt in Brailleschrift schreiben. Sie hat meistens sechs bis acht Tasten, die den Braille-Punkten entsprechen. Dazu gibt es Tasten für Steuerungsbefehle. Manche Braille-Tastaturen funktionieren alleine, andere ergänzen ein Braille-Display. So wird das Schreiben für blinde Menschen einfacher und schneller.
6-Punkt-Braille vs. 8-Punkt-Braille-Alphabet
Um zu verstehen, wie Braille-Displays funktionieren müssen wir uns aber auch das sogenannte 8-Punkt-Braille-Alphabet oder auch Computerbraille anschauen. Dabei handelt es sich um eine Abwandlung der vom Franzosen Louis Braille entwickelten Brailleschrift, bei der eine zusätzliche Zeile hinzu kommt. Mit zwei zusätzlichen Punkten pro Zeichen lassen sich bis zu 256 Buchstaben und Sonderzeichen abbilden – wichtig für großgeschriebene Buchstaben, Zahlen oder komplexe Codes wie HTML oder mathematische und chemische Formeln. So gibt es deutlich weniger doppelt belegte Zeichen und Nutzer können viel effizienter arbeiten.
Und so sieht das dann beispielsweise aus, wenn statt sechs acht Punkte verwendet werden:

Optimierung für die Braille-Zeile
Angesteuert werden die Braille-Displays von Screenreadern, also genau der Software, die Bildschirminhalte auch vorliest. Für einen Test auf Barrierefreiheit reicht es deshalb meistens aus, mit der akustischen Ausgabe zu testen. Achten Sie aber noch mehr darauf, dass Informationen effizient übermittelt werden, da das Lesen auf der Braille-Zeile länger dauert als die gleichen Texte zu hören.
Damit Braille-Geräte reibungslos funktionieren, müssen Websites also insbesondere darauf achten:
- Semantische HTML-Elemente: Diese helfen Screenreadern, den Inhalt korrekt zu interpretieren.
- Alternativtexte für Bilder: Sie geben wichtige Bildinformationen wieder.
- Strukturierte Navigation: Eine klare Seitenstruktur erleichtert die Bedienung mit Tastatur und Braille-Geräten.
Fazit – Die Zukunft der fühlbaren Informationen
Die Braille-Schrift bleibt ein Schlüssel zur Barrierefreiheit für Menschen mit einer starken Sehbehinderung – sowohl analog als auch digital. Doch es gibt Potenzial, Informationen noch fühlbarer zu machen. Technologien wie taktile Touchscreens, 3D-Druck oder spezielle Oberflächen könnten in Zukunft weitere Möglichkeiten bieten. Indem Sie Ihre Inhalte jetzt schon für Braille-Tastaturen, Braille-Displays und Screenreader optimieren, leisten Sie einen wichtigen Beitrag zu mehr Inklusion.