Nutzer: „Wie erreiche ich den Kundenservice?“
Chatbot: „Einen Moment, ich brauche erst Kaffee.“
Nutzer: „Das ist ernst gemeint!“
Chatbot: „Oh, dann wohl doppelt Kaffee… Für Sie hier der Link zum Support.“
So oder vielleicht auch etwas seriöser sehen inzwischen viele Gespräche mit dem Kundensupport aus. Denn diese finden nicht mehr per E-Mail oder am Telefon statt, sondern schnell und meist unkompliziert im sogenannten Chatbot.
In wenigen Sekunden haben Sie Ihr Anliegen erledigt, ohne in einer Telefonwarteschleife zu hängen oder lange E-Mails schreiben zu müssen. Er beantwortet häufige Fragen direkt, ist rund um die Uhr verfügbar und macht den Support zugänglicher.
Doch wie steht es um die Barrierefreiheit dieser kleinen Helferlein? Wann ist ein Chatbot barrierefrei und helfen sie auf einer Seite eher oder schaden sie mehr? Das schauen wir uns doch einmal genauer an.
Was ist ein Chatbot?
Ein Chatbot ist ein Computerprogramm, das automatisch auf Fragen oder Anweisungen in einem Chat reagiert. Dabei kann es sich um einfache, regelbasierte Bots handeln, die vorgefertigte Antworten nach Schema F ausgeben. Oder wir sprechen sogar mit KI‑gestützten Systemen, die selbstständig Sprache analysieren und neue Antworten generieren. Sie werden häufig mit Dokumentationen, AGB und anderen wichtigen Dokumenten trainiert und können dann individuell helfen.
Ziel ist, Informationen abzufragen oder Kunden durch Prozesse zu führen, ohne dass sofort ein menschlicher Mitarbeiter eingreifen muss. Einfache Anliegen können sogar vollkommen selbständig gelöst werden.
Vorteile von Chatbots für die Barrierefreiheit
Chatbots bieten dabei viele Vorteile für Menschen mit und ohne Einschränkungen. Hier sind die wichtigsten.
Sofortige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit
Im klassischen Support rufen Nutzerinnen und Nutzer eine Hotline an oder schreiben eine E-Mail. Die Antwort kommt synchron oder verzögert, und menschliche Mitarbeitende müssen verfügbar sein. Dann wird eine einfache Rückfrage zur letzten Rechnung oft zur tagelangen Geduldsprobe. Ein Chatbot dagegen ist rund um die Uhr verfügbar. Das hilft vor allem Menschen, die zu regulären Geschäftszeiten schwer erreichbar sind oder Unterstützung außerhalb klassischer Servicezeiten benötigen.
Nachvollziehbarkeit durch schriftliche Kommunikation
Im Chat bleibt alles dokumentiert. Nutzer können jederzeit zurückscrollen, Antworten nachlesen oder Links erneut öffnen. Für Menschen mit Gedächtnis- oder Konzentrationsschwierigkeiten ist das eine wichtige Unterstützung – im Gegensatz zu einem Telefongespräch, bei dem Informationen schnell vergessen werden können.
Flexibles Tempo
Ein Gespräch mit einem Chatbot läuft nicht in Echtzeit ab wie ein Telefonat. Man kann sich Zeit lassen, eine Antwort in Ruhe tippen oder zwischendurch etwas nachschauen. Wer langsamer liest oder schreibt, profitiert von diesem selbstbestimmten Tempo. Ist man sich bewusst, dass man hier nicht mit einem Menschen spricht, so entfällt oft der Druck, schnell sein zu müssen (um andere nicht warten zu lassen). Ohne sozialen Druck liest und schreibt es sich deutlich einfacher.
Grenzen und Nachteile
Bei all den Vorteilen, die ein barrierefreier Chatbot bietet, können wir die offensichtlichen Grenzen nicht außer Acht lassen.
Persönliche Kommunikation
Chatbots sind nicht immer in der Lage, echte Gespräche zu ersetzen. Wer akute Probleme hat – etwa beim Onlinebanking oder beim Einloggen in ein wichtiges System – braucht oft sofort Hilfe von einer Person. Ein Bot, der erst Standardfragen abklappert, wirkt hier wie eine zusätzliche Hürde. Wenn schnell komplexe Probleme zu lösen sind, ist ein geschulter Mensch aktuell oft die bessere Hilfe.
Begrenzte Empathie und Kontextverständnis
Ein Chatbot kann Texte analysieren, aber er versteht nicht wirklich, was dahintersteckt. Ironie, Emotionen oder komplexe Anliegen erkennt er nur eingeschränkt. Das führt leicht zu Missverständnissen und Frust, besonders bei sensiblen Themen wie Gesundheit oder Finanzen.
Starre Dialogstrukturen
Viele Bots sind regelbasiert: Sie erwarten bestimmte Schlagworte oder Menüauswahlen. Wer eine Frage anders formuliert, landet schnell in einer Sackgasse. Für Menschen, die ohnehin Schwierigkeiten mit Sprache haben, wird der Dialog dadurch unzugänglich. Gibt es für Nutzer keine Möglichkeit, auf einen Chat mit einem Menschen zu wechseln, wird der Support zum Frust. (Ich erinnere mich an so manchen LLM-Prompt in dem, nach der 5. Umformulierung meines Wunsches, viele Flüche und Ausrufezeichen die Seriösität beendeten. Spoiler: das hilft manchmal!).
Barrierefreiheit von Chatbots – besondere Herausforderungen
Ein Chatbot ist am Ende „nur“ ein Teil einer Webseite oder App. Deshalb gelten selbstverständlich auch hier die allgemeinen Anforderungen an Barrierefreiheit – von ausreichenden Kontrasten über Tastaturbedienbarkeit bis zu klarer Sprache.
Es gibt jedoch einige Besonderheiten, die speziell für Chat-Interfaces entscheidend sind. Hier werden in der Praxis häufig Fehler gemacht, die sich mit ein paar klaren Regeln vermeiden lassen.
Besondere Anforderungen im Chat
- Neue Nachrichten ankündigen (Live Regions):
Dynamisch nachgeladene Chatnachrichten müssen Screenreader-Nutzenden sofort mitgeteilt werden. Dafür eignen sich ARIA-Attribute wiearia-live="polite"oder – bei besonders wichtigen Systemnachrichten –aria-live="assertive". Wichtig: nicht alle Chatnachrichten gleichzeitig „schreien lassen“, sonst wird es unverständlich. Falls Sie noch nie mit Live-Regions gearbeitet haben: Echtzeit-Updates mit ARIA Live Region ist ein guter Einstieg. - Sprecher markieren:
In vielen Chats sind Bot- und Nutzer-Nachrichten optisch unterschieden (Farben, Position links/rechts). Das ist auch wichtig um schnell deutlich zu machen, welche Nachricht von wem kommt. Setzen sie hier im Gedanken an das Zwei-Sinne-Prinzips auf mehrere verschiedene Gestaltungselemente Screenreader sehen diese aber trotzdem nicht. Deshalb sollte jede Nachricht mit einem Label beginnen wie „Chatbot sagt:“ oder „Sie sagen:“. So bleibt für sehende und nicht sehende Nutzer klar, wer spricht. - Keine Timeouts ohne Kontrolle:
Läuft ein Chat nach einer bestimmten Zeit ab, ist das für Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen ein massives Hindernis. Falls ein Timeout technisch unvermeidbar ist, muss eine Verlängerung oder Deaktivierung möglich sein. Geben Sie den Lesern Zeit.
Fazit
Chatbots können den Zugang zu Informationen deutlich erleichtern – vor allem, wenn sie barrierefrei gestaltet sind. Sie bieten schnelle Antworten, sind jederzeit verfügbar und helfen Menschen, die Informationen lieber schriftlich als mündlich aufnehmen.
Damit das gelingt, reicht es aber nicht, die allgemeinen Barrierefreiheitsregeln für Webseiten zu beachten. Chats bringen nochmal ganz eigene Herausforderungen mit sich. Diese sind aber meist mit wenigen technischen Handgriffen lösbar. Ob die Chats dann tatsächlich richtige Antworten geben und eine wirkliche Hilfe sind, das ist ein ganz anderes Thema. Gerade im Kundensupport können Halluzinationen der KI nicht nur frustrierend sein, sondern dem Image einer Firma erheblich schaden. Anbieter sollten bei der Wahl ihrer Tools also genau überlegen ob ihnen die Vorteile wichtiger als die Nachteile sind. Mein Tipp: gehen Sie auf Nummer sicher und bieten Sie immer auch eine Alternative an, die einen schnell und umkompliziert (wenn auch nur zu den üblichen Geschäftszeiten) in Kontakt mit echten Menschen bringt.
Wer Chatbots einsetzen will, sollte in jedem Fall (wie immer) frühzeitig Barrierefreiheit einplanen, testen und Nutzerinnen und Nutzer mit Einschränkungen aktiv einbeziehen. Nur so wird aus dem digitalen Assistenten ein echter Helfer – und kein neues Hindernis.