Inklusive Videokonferenz – Zoom, Meet & Teams im Vergleich

16.4.2025
Absurde Illustration: Ein großer Scheinwerfer. Statt einer Lampe ist im inneren eine kleine Bühne mit Bäumen als Kulisse. An der vorderen Kante sitzt ein Strichmännchen.
Was macht eine barrierefreie Videokonferenz aus und wie setzen die bekanntesten Anbieter Zoom, Google Meet und Microsoft Teams diese Anforderungen um?

Inhaltsverzeichnis

Spätestens seit der Corona-Pandemie kommt kaum noch jemand ohne Online-Meetings aus. Aber auch Schulungen finden immer häufiger per Webinar statt, sogar ganze Konferenzen gibt es nur noch online. Doch wie steht es um die Barrierefreiheit dieser digitalen Treffpunkte? Können wirklich alle Menschen gleichberechtigt teilnehmen? Vergleichen wir doch einmal die gängigsten Videokonferenz-Plattformen und schauen, wie Sie inklusive Online-Meetings gestalten können.

Videokonferenzen und BFSG-Anforderungen

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) werden Unternehmen zunehmend in die Pflicht genommen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – und dazu gehören auch Videokonferenzen, wenn diese Teil der Dienstleistung sind. Aber: ob für Kundengespräche, Schulungen oder den täglichen Austausch im Team: barrierefreie Kommunikation ist nicht nur eine gesetzliche Anforderung, sondern auch ein wichtiger Schritt zu mehr Inklusion im Arbeitsalltag.

Das BFSG verlangt, dass digitale Produkte und Dienstleistungen so gestaltet werden, dass sie für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen ohne fremde Hilfe nutzbar sind. Bei Videokonferenzen bedeutet das unter anderem, dass alle Inhalte (akustisch und visuell) verständlich sind und die Software selbst mit Tastatur und Screenreadern genutzt werden kann. Schauen wir uns deshalb einmal die gängigsten Features der bekannten Tools an.

Wichtige Funktionen barrierefreier Videokonferenzen

Die meisten Tools sind munter dabei, wenn es um das Anbieten von Accessibility-Features geht. Doch sind diese auch wirklich tauglich um echte Teilhabe zu schaffen?

Tastaturbedienbarkeit – man muss erstmal rein kommen

Das beste Meeting bringt nichts, wenn Nutzer es garnicht erst erstellen oder beitreten können. Deshalb ist eine effektive und effiziente Bedienung mit der Tastatur wichtig. Hier kommt es nicht nur darauf an, dass Funktionen grundsätzlich irgendwo in der Tabreihenfolge erreichbar sind. Vielmehr muss es möglich sein, diese schnell zu erreichen. Deshalb haben alle bekannten Tools Tastaturshortcuts entwickelt. Damit lassen sich mit einfachen Tastenkombinationen aus 2-3 Tasten alle notwenigen Funktionen auch ohne Fokus auslösen. Ton an oder aus, schnell zum Chat gewechselt und eine Frage gestellt und dann doch fix melden um eine Anmerkung einbringen zu können. Das geht mit den Tastaturkürzeln besonders effizient. Kleiner Haken allerdings: In jedem Tool sind das völlig unterschiedliche. Wechselt man also (vielleicht für Kunden) häufig die Meeting-Software, darf man viele Belegungen neu lernen.

Übersicht der gängigen Tastaturkürzel:

Untertitel – was wird denn gesagt?

Das Zwei-Sinne-Prinzip besagt: Jede information muss über mindestens zwei verschiedene Sinne wahrnehmbar sein. Hörbar und fühlbar, sichtbar und tastbar. In der Webentwicklung setzen wir diesen Anspruch vor allem dadurch um, dass sichtbare Inhalte auch von Screenreadern ausgelesen werden können (beispielsweise durch Alternativtexte von Bildern). Haben wir Videos mit Ton oder auch Audio-Dateien, benötigen aber auch diese eine visuelle Alternative. Also beispielsweise Untertitel.

Mit den verschiedenen Arten von Untertiteln habe ich mich schon einmal in einem eigenen Artikel befasst.

Im Gegensatz zu aufgezeichneten Videos, lassen sich Captions für Live-Meetings nicht vorproduzieren und sauber einbinden. Deshalb haben die großen Anbieter Konferenztools alle automatische Untertitel eingebunden. Auf Wunsch können diese aktiviert werden, hören dem gesprochenen Text zu und geben live aus, was sie verstanden haben. Bei Bedarf sogar direkt übersetzt in die Muttersprache der jeweiligen Teilnehmer.

Hier liegt aber auch der große Haken dieser Umsetzung: Sie verstehen oft wenig. Das kann mehrere Gründe haben

  • Die sprechende Person ist grundsätzlich schwer zu verstehen weil sie sehr leise oder schnell spricht
  • Hintergrundgeräusche stören zusätzlich
  • Diese Spracherkennung funktioniert auf Englisch noch gut. Mit anderen Sprachen tut sie sich schwer
  • Wird ein falsch verstandener Text dann auch noch automatisch übersetzt, geht der Sinn oft völlig verloren.

Besonders der letzte Punkt wird zum Problem, denn darauf haben wir keinen Einfluss. In einem kleinen Test habe ich den Tools den Anfang von „Der Mond ist aufgegangen“ vorgelesen (nicht gesungen). Das kam dabei raus:

Transkript: Der Mond ist aufgegangen gebundenen Sternlein dran. Vom Himmel herum klar ein weites schwarz und schweigen aus dem wiesensteigen. Wunderbar! verschlafen und vergessen sollten.
Automatisch erkannter Untertitel bei Google Meet
Der Mond ist aufgegangen, die goldene Sternlein prangen am Himmel, hell und klar, der Wald steht Schwarz und Schweigelt und aus den Wiesen steigt der weiße Neben wunderbar.

Wie ist die Welt? So Stille. Und in der Dämmerung hundezutraulich und so Hold als eine stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen soll.
Automatisch erkannter Untertitel bei Microsoft Teams

Zoom konnte ich trotz Doku leider nicht davon überzeugen, mir welche zu erstellen (es soll aber gehen!). Man sieht trotzdem auch hier die großen Qualitätsunterschiede. Perfekt war keiner der beiden Untertitel.

Zoom hat deshalb eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen: einzelne Teilnehmer können damit beauftragt werden, live Untertitel zu verfassen. Beauftragt man damit professionelle Stenographen, ist die Qualität erheblich besser als die der KI.

Gebärdensprachdolmetscher als Unterstützung

Zusätzlich zu Untertiteln kann bei größeren Konferenzen auch ein Gebärdesprachdolmetscher engagiert werden. Beachten Sie aber bitte, dass dieser zusätzlich zu guten Untertiteln eingesetzt werden sollte. Nicht jede schwerhörige oder gehörlose Person beherrscht auch die Gebärdensprache.

Damit dieser auch wahrgenommen werden kann, sollte sein Video immer zusätzlich zum Sprecher angepinnt und so dauerhaft sichtbar bleiben. Das geht in allen gängigen Tools. Werden sogenannte Breakout-Rooms genutzt um Gruppen temporär aufzuteilen, dann sollte der Dolmetscher natürlich immer in den Gruppen landen, wo die Zuhörer ihn brauchen.

Präsentationen während eines Meetings

Viele Webinare und Konferenzen finden inzwischen auch oder sogar allein online statt. Aber auch kurze firmeninterne Meetings werden zusätzlich von kleinen oder größeren Präsentationen unterstützt. Wir erinnern uns ans Zwei-Sinne-Prinzip: Für visuelle Inhalte brauchen wir eine Alternative. Da diese nicht live vertont werden können empfehle ich folgendes Vorgehen:

  1. Schicken Sie die Präsentation schon vor dem Termin als barrierefreie PDF herum. So können sich Personen mit Einschränkungen in Ruhe darauf vorbereiten.
  2. Eine Empfehlung, die eigentlich immer gilt: Was auf der Folie steht wird auch erzählt. Müssen Nutzer lesen, was in der Präsentation steht, dann hören Sie Ihnen nicht mehr zu. Auf diese Art haben Sie die Folien direkt live vertont.

Mehr Informationen zu barrierefreien PDF:

Sollte man Meetings aufzeichnen?

Ob man Videokonferenzen aufzeichnet oder nicht ist selbstverständlich auch eine Frage des Datenschutzes. Aus Sicht der Barrierefreiheit ist es aber immer hilfreich. So können Zuhörer das Meeting später noch einmal im eigenen Tempo durchgehen.

Die Funktion, Meetings aufzuzeichnen, haben zum Glück alle Tools. Auch die erstellten Untertitel werden mit gespeichert. Und keine Angst: die Zuhörer werden über die Aufzeichnung informiert. Für zusätzliche Transparenz können Sie ja vorher schon darauf hinweisen und begründen, weshalb sie das vor haben. Das schafft Vertrauen und zeigt Bewusstsein für Inklusion.

Mehr Informationen finden Sie in der Selbstauskunft zur Barrierefreiheit von Zoom Meetings.

Besonderheiten der Anbieter

Sie werden es sich gedacht haben: neben diesen wichtigen Grundfunktionen gibt es natürlich noch viel mehr, was zu einem barrierefreien Meeting beiträgt. Deshalb haben einige Anbieter noch eins draufgelegt. Werfen wir einen Blick auf die größten Anbieter und das, was sie zusätzlich bieten.

Zoom und die WCAG

Zoom hat sich in seiner Erklärung zum Thema Barrierefreiheit (englisch) selbst verpflichtet, vollkommen WCAG 2.1 AA und EN 301 549 kompatibel zu sein. Das ist vorbildlich. Nicht weil die Ansprüche so unlösbar wären, aber weil eine angegebene Messlatte auch angreifbar macht. Zoom wird sich daran messen lassen müssen, ob sie dieses Versprechen halten. In jedem Fall bietet es eine gute Grundlage für das kommende BFSG.

Google Meet benennt die Probleme transparent

Google ist zwar engagiert, was die Barrierefreiheit seiner vielen Tools angeht, kommt damit aber nicht immer vollständig hinterher. Das Gute: Sie gehen damit transparent um. In einem umfangreichen Audit werden die Tools in größeren Abständen geprüft und die Ergebnisse veröffentlicht. Für Google Meet ist das zuletzt im März 2023 erfolgt. Hier wurden noch einige Schwachstellen entdeckt, auch im Konformitätslevel A, das als absolutes Minimum an Zugänglichkeit gilt. Inwieweit diese Probleme inzwischen behoben wurden, habe ich nicht überprüft.

Hier geht es zu den Testergebnissen:

Microsoft Teams und der Immersive Reader

Eine Besonderheit von Microsoft Teams ist der integrierte „Immersive Reader“. Dieses Tool hilft Menschen mit Leseschwierigkeiten oder Legasthenie, Texte besser zu verstehen:

  1. Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf eine Chatnachricht
  2. Wählen Sie „Mit Immersive Reader öffnen“
  3. Nutzen Sie die Vorlesefunktion oder passen Sie die Textdarstellung an

Der Immersive Reader bietet Optionen wie Vorlesen, Silbentrennung, Grammatikhervorhebung und verschiedene Farbschemata. Diese Funktionen unterstützen nicht nur Menschen mit Leseschwierigkeiten, sondern können auch für Menschen mit Aufmerksamkeitsproblemen oder kognitiven Einschränkungen hilfreich sein.

Fazit – viele Maßnahmen lassen sich direkt umsetzen

Barrierefreie Videokonferenzen sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für inklusive Zusammenarbeit. Mit den richtigen Einstellungen und etwas Vorbereitung können Sie schon Ihr nächstes Meeting oder ihr kommendes Webinar zugänglicher gestalten.

Hier sind die wichtigsten Sofortmaßnahmen:

  1. Aktivieren Sie Live-Untertitel bei jedem Meeting. Besser unvollständige oder fehlerhafte Untertitel als garkeine
  2. Senden Sie Materialien vorab an alle Teilnehmenden
  3. Informieren Sie über verfügbare Tastaturkurzbefehle
  4. Beschreiben Sie visuelle Inhalte verbal
  5. Nehmen Sie Videokonferenzen auf und stellen Sie die Aufzeichnungen zur Verfügung
  6. Fragen Sie nach individuellen Bedürfnissen

Denken Sie daran: Barrierefreiheit kommt nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute. Von guter Beleuchtung, klarem Ton und strukturierten Präsentationen profitieren alle Teilnehmenden. Inklusive Videokonferenzen führen zu besserer Kommunikation, höherer Produktivität und einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl im Team.

Machen Sie den ersten Schritt und verbessern Sie Ihre Meeting-Kultur. Ihre Mitarbeitenden und Kunden werden es Ihnen danken – und Sie erfüllen gleichzeitig die Anforderungen des BFSG.

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