Schon 1993 von Adobe veröffentlicht, ist es aus unserem Alltag inzwischen nicht mehr wegzudenken: das Portable Document Format (PDF). Für die einen ist es der Traum des Dateiaustauschs. PDF ermöglichte es erstmals, formatierte Dateien unabhängig vom installierten Textbearbeitungsprogramm originalgetreu und zuverlässig anzuzeigen. Für die anderen ist es der Albtraum der Barrierefreiheit – wenig anpassbar und schlecht navigierbar. Doch wieso ist das so? Was zeichnet barrierefreie PDF aus und wie bekommt man ein PDF barrierefrei?
Damit werde ich mich in den nächsten 3 Wochen gemeinsam mit Sören Reinecke befassen. Diese Woche starten wir mit der Theorie hinter barrierefreien PDF und deren Nutzen. Nächste Woche schauen wir uns dann an einem konkreten Beispiel an, wie sich die unterschiedlichen PDF für Nutzer von Screenreadern eigentlich anhören und wie man barrierefreie mithilfe von Word und LibreOffice erreicht. Und im dritten Teil geht es dann um barrierefreie Powerpoint-Präsentationen und wie man diese wiederum in barrierefreie PDF umwandeln kann. Los geht’s.
Brauchen wir barrierefreie PDF?
Die Vorteile eines PDF-Dokumentes liegen auf der Hand. Ohne die Gefahr fehlender Schriften oder Bilder sieht es auch nach dem Versenden an andere noch so aus wie geplant. Alle relevanten Inhalte werden direkt mitgeliefert. Doch was für die Designer ein Segen ist, ist für die Barrierefreiheit ein großes Problem. Denn die Schriftgröße dieser Dateien nachträglich zu ändern ist nur mit Spezialsoftware möglich, sie passt sich nicht dynamisch an die Einstellungen des Nutzers an. Auch Farben und Schriftarten werden festgelegt. Hinzu kommt, dass PDF nicht responsiv sind. Zoomt man hinein, kommt man nicht um horizontales Scrollen herum.
Die Frage müsste also vielmehr lauten: brauchen wir PDF? Die Antwort darauf aus Sicht der Barrierefreiheit: Nein. Wenn möglich, versuchen Sie PDF zu vermeiden. Versenden Sie Inhalte direkt im Text der E-Mail anstatt als PDF-Anhang. Schaffen Sie auf Ihrer Website dedizierte Unterseiten für AGB, Datenschutzerklärung und Co. Diese passen sich, so wie der Rest Ihrer Website, idealerweise automatisch den Präferenzen des Nutzers an.
Und das Beste daran? Sie sparen bares Geld und viel Zeit. Denn die Erstellung barrierefreier PDF ist aufwändig und muss für jedes Dokument durchgeführt werden.
Für den Fall, dass Sie trotzdem eine barrierefreie PDF-Datei erstellen müssen, schauen wir uns nun trotzdem an, wann ein PDF als barrierefrei oder besser barrierearm gilt und wie man das erreicht.
Wann ist ein PDF barrierefrei oder barrierearm?
Als Grundlage für barrierefreie PDF gelten, wie für alle anderen digitalen Medien und Dokumente, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese jedoch zu erfüllen ist in einer PDF ungleich aufwendiger als auf einer Website. Deshalb lohnt es sich, einen Blick in die PDF/UA (Universal Accessibility, englisch für „Universeller Zugang“) zu werfen. Dabei handelt es sich um einen Substandard des PDF-Standards, der beschreibt, wie der PDF-Standard angewendet werden muss, um die Anforderungen der WCAG zu erfüllen. Wir haben hier also bereits einen praktischen Leitfaden an der Hand.
Hier ist eine Checkliste mit einigen der wichtigsten Kriterien für barrierefreie PDF:
- Das PDF hat einen sinnvollen Dokumenttitel.
- Die Sprache des Dokumentes und eventuell davon abweichender Bereiche ist definiert.
- Die geplante Lesereihenfolge entspricht der technisch hinterlegten Reihenfolge, sodass Nutzer von Screenreadern die Texte logisch richtig erfassen können.
- Bilder besitzen angemessene Alternativtexte.
- Kontrastverhältnisse wurden eingehalten. Es gelten dieselben Anforderungen an Farbkontraste wie auf Websites.
- Alle Links sind mit der Tastatur erreichbar, also “antabbar”.
- Das Dokument wird über eine semantisch richtige Tag-Struktur beschrieben.
Die meisten dieser Kriterien dürften nicht überraschen. Doch was bitte ist eine Tag-Struktur in PDF? Tags kennen wir doch nur aus dem HTML-Code von Websites? Das schauen wir uns einmal genauer an.
Was ist die Tag-Struktur einer barrierefreien PDF?
Die Tag-Struktur einer barrierefreien PDF ist entscheidend, um Inhalte für Benutzerinnen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Das gilt insbesondere für Screenreader-Nutzer. Tags in einer PDF-Datei funktionieren ähnlich wie HTML-Tags und helfen dabei, die logische Struktur des Inhalts darzustellen. Hier sind die wichtigsten Elemente und ihre Funktion:
- Document-Tag (
<Document>
): Das Dokument ist das übergeordnete Element, das die gesamte Struktur enthält. Es dient als Wurzel-Tag, unter dem alle weiteren Inhalts-Tags angeordnet sind. - Überschriften
(<H1>
,<H2>
,<H3>
usw.): Überschriften-Tags geben die hierarchische Struktur des Dokuments an, genauso wie in HTML. Eine korrekte Überschriftenstruktur (H1 bis H6) ist wichtig, um den Inhalt in logische Abschnitte zu gliedern und die Navigation zu erleichtern. - Absätze
(<P>
): Das Absatz-Tag kennzeichnet zusammenhängende Textblöcke. Es sollte für alle Fließtexte verwendet werden. - Listen (
<L>
,<LI>
,<Lbl>
,<LBody>
): Listen-Tags strukturieren Aufzählungen und nummerierte Listen.<L>
ist das Listenelement,<LI>
der Listenpunkt,<Lbl>
der Label-Text (z. B. Aufzählungszeichen oder Nummer) und<LBody>
der eigentliche Listeninhalt. - Tabellen (
<Table>
,<TR>
,<TH>
,<TD>
): Tabellen-Tags beschreiben tabellarische Daten.<TR>
steht für Tabellenzeilen,<TH>
für Tabellenüberschriften und<TD>
für Tabellenzellen. Diese Tags sind wichtig, um die Lesereihenfolge und Zusammenhänge innerhalb der Tabelle zu definieren. - Abschnittsgruppen (
<Sect>
): Abschnittstags helfen, große Dokumente zu gliedern. Sie dienen der logischen Organisation von Kapiteln oder Abschnitten innerhalb des Dokuments. In HTML würden sie dem Element<section>
entsprechen. - Bildbeschreibungen (
<Figure>
): Bilder werden mit dem<Figure>
-Tag versehen und sollten eine Alt-Beschreibung haben (Alt-Text), die den Bildinhalt für Screenreader beschreibt. - Hyperlinks (
<Link>
): Links sollten als<Link>
-Tag ausgezeichnet sein, um auf externe oder interne Inhalte zu verweisen. - Formularelemente (
<Form>
,<FormField>
): Falls das PDF Formularfelder enthält, sollten diese mit spezifischen Tags versehen werden, um die Interaktivität und Navigation zu ermöglichen.
Ähnlich wie im HTML Elemente auch einigermaßen problemlos mit <div>
und <span>
ausgezeichnet werden können, kommt man in PDF ohne diese Elemente aus. Allerdings fehlen Assistenztechnologien wie dem Screenreader dann jede Information über die Bedeutung der Elemente. Ein großer Text macht eben keine Überschrift. Achten Sie deshalb auch in barrierefreien PDF auf semantisch korrekte Auszeichnung.
Weitere Artikel zum Thema Semantik:
- Gliederung von Texten – großer Text macht noch keine Überschrift
- Button oder Link – wann verwende ich was?
- Tabellen barrierefrei umsetzen – Schluss mit dem Zahlensalat
- Barrierefreies Akkordeon auf Ihrer Website
PDF-Barrierefreiheit prüfen
Ist man sich nicht sicher, wie barrierearm die eigenen PDF eigentlich sind, dann wäre es schön, die Barrierefreiheit eines PDF automatisch prüfen zu können. Im Blog habe ich mich schon einmal mit den Grenzen automatischer Tests befasst. Das Problem: Nicht jeder Prüfschritt lässt sich automatisiert auswerten. Insofern gilt auch für PDF: wir können auf einige Aspekte der Barrierefreiheit testen, das Ergebnis wird aber kein barrierefreies PDF bescheinigen.
Das am weitesten verbreitete Test-Tool für PDF ist der PDF Accessibility Checker (PAC). Mit dem Wissen eingesetzt, dass nicht alle Probleme gefunden werden können, lassen sich damit viele wichtige Barrieren entdecken. Will man wirklich sichergehen, dass eine PDF vom Screenreader richtig vorgelesen werden kann, dann kommt man um eine händische Prüfung aber nicht herum.
Barrierefreie PDF erstellen
Am besten sorgen Sie schon im Ausgangsdokument dafür, dass alle Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt sind. Ob in Word, InDesign oder einer anderen Software, nutzen Sie Formatvorlagen, fügen Sie Alternativtexte hinzu und legen Sie Metainformationen im Dokument fest.
Beim Export zum PDF kommt es dann darauf an, dass diese Einstellungen auch wirklich übernommen werden. Verwenden Sie dabei keine „Print to file“-Funktion, weil diese oft die wichtige semantische Struktur zerstört. Achten Sie darauf, dass Ihre Textverarbeitungssoftware die Tags korrekt ins PDF überträgt.
Nachträgliche Bearbeitung im PDF ist bestenfalls eine Notlösung oder nur für Feinheiten in der finalen Anpassung notwendig. Sobald Sie im Originaldokument etwas ändern, müssen Sie auch das PDF wieder anpassen. Doch manchmal bleibt keine Wahl: Wenn nur das PDF vorliegt oder wichtige Einstellungen im Ausgangsdokument fehlen, ist die Bearbeitung im PDF nötig.
Fazit – wenn, dann richtig
PDF sollten, wann immer möglich, gar nicht erst zum Einsatz kommen. Die barrierefreiste PDF ist die, die nie erstellt wurde.
Müssen Sie trotzdem eine PDF einsetzen, dann versuchen Sie Einstellungen so früh wie möglich vorzunehmen. Nächste Woche schauen wir uns in Teil 2 an, wie genau das funktioniert und welche Resultate man mit wenig Aufwand erreichen kann.