Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich: das Sehen. Doch für viele Menschen mit den unterschiedlichsten Sehbeeinträchtigungen ist die barrierefreie Nutzung einer Website keine Selbstverständlichkeit. Sie sind auf Unterstützung angewiesen. Zu den am weitesten verbreiteten Assistenzsytemen zählen Screenreader. Doch was ist ein Screenreader und was muss man tun, um ihn auf der eigenen barrierefreien Website zu unterstützen?
Was ist ein Screenreader und wozu wird er gebraucht?
Screenreader haben im Wesentlichen eine Funktion: auf dem Bildschirm sichtbaren Inhalt vorzulesen und so Menschen mit Sehbeeinträchtigungen Zugang zu allem zu geben, was sonst nur visuell auf einem Monitor dargestellt wird. Dabei wandeln sie, Stand heute, als Text zur Verfügung gestellten Inhalt in Sprache um. Zusätzlich geben Sie Informationen zum Kontext der Texte. Handelt es sich um eine Überschrift? Einen Link? Eine Liste?
Die meisten Screenreader bieten dazu die Möglichkeit, effizient mit Websites zu interagieren. Was sehende Nutzer intuitiv machen, wäre bei einem linearen Vorlesen einer Seite unmöglich. Das schnelle Springen von Überschrift zu Überschrift um einen interessanten Absatz zu finden. Die Navigation innerhalb von Tabellen um strukturierte Daten effizient zu analysieren. Blinde oder schwer sehbeeinträchtigte Nutzer können so mithilfe von Shortcuts auf der Tastatur und Screenreadern Inhalte auf ihre ganz eigene Art erkunden und so genauso wie sehende Nutzer am Internet teilhaben. Ein großer Schritt zu digitaler Barrierefreiheit.
Vorlesefunktionen als Screenreader light
Reduzierte Screenreader werden auch gern direkt auf Websites eingebaut und sind dort häufig unter Buttons wie „Seite vorlesen“ zu finden. Zielgruppe sind hierbei eigentlich nicht Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, denn wer einen Screenreader braucht, weiß wo er diesen auf seinem Rechner findet. Vielmehr hilft eine solche Funktion Menschen, denen das Lesen langer Texte schwer fällt. Dazu zählen ältere Menschen, aber auch solche mit Lese-Rechtschreib-Schwäche. Interaktionsmöglichkeiten mit dem Inhalt sind selten vorhanden und auch zusätzliche Informationen über das Element werden nicht vorgelesen. Eine solche Vorlesefunktion eignet sich also für lange zusammenhängende Texte wie Blogbeiträge oder Zeitungsartikel.
Als Sehender mit dem Screenreader testen
Viele Sehende tun sich schwer mit der Vorstellung, wie man blind mit einer Internetseite interagieren kann. Oft wird einem die mangelnde Barrierefreiheit der eigenen Website aber erst bewusst, wenn man es einmal selbst versucht hat. Deshalb probieren Sie doch einmal selbst aus was ein Screenreader ist und wie es sich anfühlt, damit einen Rechner zu bedienen:
- Öffnen Sie eine Website, die sie gut kennen. Am besten eignen Sich Websites, die grundsätzlich barrierearm sind. Dazu zählen beispielsweise Stadtportale. Aktivieren Sie dann einen Screenreader (ich erkläre gleich noch, wie) und schließen Sie einmal die Augen. Finden Sie sich mithilfe der Tabulatortaste, der Leertaste und Enter noch zurecht? Können Sie einmal bis zum Kontaktformular navigieren? Wie fühlt es sich an?
- Öffnen Sie nun ihre eigene Website. Versuchen Sie, die Informationen zu erhalten, die Ihnen für Ihre Zielgruppe am wichtigsten ist. Ist das möglich?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht so einfach ist, wie man denkt. Probieren Sie es gern aus.
Screenreader aktivieren
Doch wie aktiviert man einen Screenreader? Was viele nicht wissen ist, dass alle gängigen Betriebssystem bereits Screenreader installiert haben. Betroffene haben meistens eigens installierte Alternativen wie Jaws oder NVDA mit mehr Funktionen. Für einen ersten Test reichen die vorinstallierten Tools aber oft aus.
Betriebssystem | Screenreader | Wo wird er aktiviert? |
---|---|---|
Windows | Sprachausgabe | Einstellungen → Barrierefreiheit → Sprachausgabe |
macOs | VoiceOver | Systemeinstellungen → Bedienungshilfen → VoiceOver |
iOS | VoiceOver | Einstellung → Bedienungshilfen → VoiceOver |
Android | TalkBack | Einstellung → Bedienungshilfen → TalkBack |
Screenreader auf einer barrierefreien Website unterstützen
Screenreader lesen, wie schon gesagt, alle textuellen Inhalte und vorhandene Kontextinformationen vor. Das geht allerdings nur, wenn sie auch korrekt bereitgestellt werden. Damit das funktioniert muss man sich an ein paar grundlegende Regeln halten.
Alternativtexte
Alle visuellen Inhalte müssen Alternativtexte besitzen. Dazu zählen Bilder, aber auch Icons und alle grafischen Bedienelemente. Wie man einen passenden Alternativtext findet, habe ich im Blogbeitrag „Alternativlos gut – Wie sie barrierefreie Alternativtexte schreiben“ schon einmal beschrieben. Wichtigste Grundregel dabei: Die Nutzer sollten auch mit einem Screenreader genau wissen was zu tun ist und worum es genau geht. Sie sollten über mindestens dasselbe Wissen verfügen, wie ein sehender Nutzer.
Semantisches HTML
Screenreader lesen auch Kontextinformationen über die gelesenen Texte vor und können über Shortcuts auch mit diesen interagieren. Das funktioniert aber nur, wenn man diese Informationen auch definiert. Das heißt, dass man sogenanntes semantisches HTML schreiben muss um Elemente genau als das zu beschreiben was sie sind. Überschriften sind eben nicht einfach nur nur groß geschriebener Text. Mehr zur Wichtigkeit von Semantik können Sie im Beitrag „Button oder Link – wann verwende ich was?“ nachlesen.
ARIA-Rollen und Attribute
Gerade bei komplexen interaktiven Elementen wie Navigationen oder Slidern kann es hilfreich sein, einem Screenreader weitere Informationen über das Inhaltselement zu geben. Dazu dient ARIA, mehrere Rollen und Attributen, die weitere Kontextinformationen hinzufügen und den Nutzer so über Interaktionsmöglichkeiten oder den aktuellen Status informieren. Screenreader können diese Daten ebenfalls auslesen und den Nutzern zur Verfügung stellen.
Was ist ein Screenreader – Fazit
Screenreader bei der eigenen barrierefreien Website zu unterstützen und dies auch intensiv zu testen ist enorm wichtig. Denn auch viele andere Assistenzsysteme wie Braillezeilen nutzen dieselben Schnittstellen. Kann der Screenreader Ihre Website also vollständig vorlesen, so können Sie dies auch für viele andere Werkzeuge von Betroffenen annehmen. Mit vergleichsweise wenig Aufwand können Sie so Barrieren für viele Menschen beseitigen.
Wer mehr zu dem Thema Screenreader und Texte lesen möchte, wird im Artikel über barrierefreies Gendern sicher fündig. Dort erkläre ich, weshalb nicht jede Variante zu gendern gut für Screenreadernutzer ist.